Port Gentil Teil 4
Paschas Bücherfreunde wohnten in einem Außenbezirk des Ghettos. Dort war die Natur sehr stark durch Rohöl geschädigt. Anstelle von Straßen gab es nur schlammige Schneisen, an deren abgetrockneten Ufern bunt gekleidete Mammies saßen und über offenen Feuerstellen lecker riechende »Farinas« frittierten, kleine Schmalzkuchen, die in siedendem Fett ausgebacken wurden. Wir teilten uns eine Tüte voll, da wir die »munchies« hatten, diese Lust auf Süßes, die manchmal nach dem Rauchen auftrat. Die heißen Farinas waren genau die richtige Medizin.

Wenig später kamen wir zu einem großen Holzhaus, das zum Schutz vor Hochwasser auf Pfählen gebaut war. Eine schmale Treppe führte zur offenen Veranda, wo auf langen Teppichstreifen mindestens 20 Paar Schuhe ordentlich in einer Reihe standen. Pascha stellte seine Badelatschen daneben. Ich hatte nur den Verband am Fuß. Die Tür zierten magischen Zeichen, von denen eines an ein Ruderrad erinnerte. Pascha wollte mich hier einem ganz besonderen Menschen vorstellen, einem Erleuchteten, einem heiligen Illuminaten.

Ich fand es inzwischen ganz normal, dass man in Afrika überall erleuchtete Menschen mit magischen Fähigkeiten treffen konnte. Dieser Heilige in Port Gentil war jedenfalls ein Freund von Büchern und vermutlich das führende Mitglied einer Rosenkreuzer-Gemeinschaft.

Pascha klopfte zaghaft und wartete, bis jemand öffnete. Wir betraten einen halbverdunkelten Raum, in dessen Mitte ein großes Bett stand, das von den Besitzern der Schuhe auf der Veranda umlagert wurde. Lauter Männer mit ehrfürchtig fragendem Blick. Sie saßen schweigend auf dem Fußboden. Manche im Schneidersitz, andere in der Hocke.

Auf dem Bett thronte in Decken gehüllt der Erleuchtete wie eine erhabene Gottheit. Eine würdevolle Erscheinung trotz der vergammelten Tücher. Er lächelte freundlich, ließ sich nicht weiter stören. Wir sollten uns setzen. Der Logenmeister redete mit den Leuten, und klärte geduldig ihre Fragen. Zwischendurch legten sie Geld auf die Matratze. Dafür erhielten sie afrikanischen Tabak. Kleine Rollen aus Zementsackpapier. Der Mann hatte keine Beine mehr. Was unter der Decke so aussah, war in Wirklichkeit sein Grasvorrat.

Der Erleuchtete wollte wissen, wer ich sei. Pascha stellte mich routiniert als »homme le monde de allemagne« vor, der mit einem Segelschiff voller Bücher vorm Kap Lopez liege. Der Illuminat zeigte sich hocherfreut. Er wollte mit uns allein sprechen. Die anderen wurden zu den Schuhen geschickt. Er zog unter der Decke ein Buch hervor, auf dem wieder dieses magische Signum glänzte. Ich sollte das Symbol betrachten, ob ich es kennen würde? Der Meister musterte mein Gesicht. Er fragte nach französischen Schriften, weil er nur Französisch verstand. Seine Jünger zählten zu den Analphabeten. Sie durften nach 10 Minuten wieder rein kommen und erfahren, dass es an Bord des schwarzen Segelschiffes keine französische Literatur gab. Das wurde allgemein bedauert.