Libreville Teil 7
Die Strömung war auch in der Schutzzone deutlich spürbar. Sie nahm weiter zu. Beim Schwoien um den Anker kamen wir bedenklich nahe ans Ufer. Das Schiff setzte mehrmals hart auf, sodass wir uns über die Winde aus dem Gefahrenbereich ziehen mussten. Um den Schoner im Strom zu stabilisieren, wollte Roy einen Heckanker ausbringen. Die Vorarbeiten zogen sich bis zum Abend hin. Als er ins Dingi verladen wurde, sank die Sonne. Das Boot lag tief in dem dunklen Wasser.

Der Anker wog schwer. Noch schwerer war es, das Teil zwanzig Meter achteraus wieder über Bord zu werfen, ohne das Dingi zu versenken. Wir hatten nur Maniok im Magen, aber übermenschliche Kräfte, wenn es darum ging, unser Zuhause vor dem Untergang zu bewahren. Vergeblich! Selbst am tiefsten Punkt der Schutzzone kam die Golden Harvest auf Grund. Eine Stunde lang knirschte und krachte es, bis das Schiff endlich ruhig lag und sich mit dem absinkenden Wasser auf die Seite legte. So konnte kein Mensch an der Maschine arbeiten. Elise standen Tränen in den Augen. Kris kratzte sich ratlos am Kopf. Für Momo war Roy an allem Schuld. Seine »nonsense navigation« würde nichts als Desaster bringen.

Mit zunehmender Flut mussten wir erneut den Schlepper bitten, uns in tieferes Wasser zu ziehen. Der kehrte gerade von einem Einsatz zurück und war so freundlich, auf Roys verzweifeltes Winken in der Dunkelheit zu reagieren. Das Boot kam längsseits. Wir legten die Leinen und machten fest. Der Kapitän wollte nach Hause. Er hatte es eilig. Der Heckanker musste geopfert werden. Wir zersägten die Trosse und gaben dem Skipper ein Zeichen. Er sollte uns gleich achteraus trecken:
»Full astern!«

Der Kapitän machte Dampf. Im nächsten Moment kam direkt vor dem Bug etwas aus dem Wasser geschnellt. Es gab einen heftigen Ruck. Die Golden Harvest stöhnte auf. Eisenteile schlugen gegeneinander. Alle starrten fluchend nach vorn. Der Skipper wurde über den Lärm der Maschine angebrüllt, das Gas wegzunehmen. Momo und Elise wollten die Schuldfrage klären, obwohl es im Grunde genommen keine Frage von Schuld war, sondern reine Dussligkeit wegen Stress. Wir hatten in der Eile vergessen, den Hauptanker zu lichten. Roy stand da, mit langem Gesicht und über dem Kopf zusammengelegten Händen:
»Oh, shit!«

Der Schlepperkapitän blickte nachdenklich von der Brückennock herab, ohne die Vorgänge zu bewerten. Er wollte wissen, ob es ginge:
»Ca va?«

Kris sagte Scheiße auf französisch:
»Merde!«