Libreville Teil 3
Die Golden Harvest lag inzwischen wegen Ebbe auf Grund. Es blieb Zeit, den Strand zu erkunden und diese tolle Promenade, deren Lichter wir bei unserer Ankunft gesehen hatten. Das war der Unabhängigkeitsboulevard, der »Boulevard de la Indépendence«. Eine Prachtstraße aus Beton, mit vereinzelten Hotelhochhäusern zum Wasser hin und den Hügeln der Stadt landeinwärts. Es gab ein Rathaus auf Betonstelzen, doch über allem thronte dieser ockerfarbene Klotz, der Märchenpalast von Omar Bongo. Vor den Toren standen wild kostümierte Wachen, die aussahen, als kämen sie aus einer Revue. Sie waren mit roten Federbüschen geschmückt, die die Köpfe um einen Meter und mehr überragten.

Kris wusste aus seinen Unterlagen, dass Libreville de facto von den Franzosen regiert wurde und Omar Bongo in einer Traumwelt lebte, mit einer Leibgarde in Phantasieuniformen. Das letzte Wort hätten nach wie vor die Franzosen. Er erzählte mir unter Hinweis auf seine Körpergröße von den Pygmäen, den Zwergmenschen aus dem Regenwald. Gabun sei das Heimatland der Pygmäen. Früher hätten die hier überall gelebt. Heute würde es kaum noch Zwergmenschen geben. Das Wort Pygmäe kam aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie »Däumling«.

Die Frauen, die uns begegneten, waren alle groß gewachsen, mit schönen Augen, langen Hälsen und beweglichen Hinterteilen. Sie trugen high heels und schicke, farbenfrohe Fetzen. Richtig heiße Weiber, wunderschön. Die meisten hatten T-Shirts an, mit dem Brustbild von Omar Bongo. Kris vermutete, dass es etwas mit dem Geburtstag des Präsidenten zu tun haben könnte, oder mit Politik. In Libreville benahmen sich die Leute auf jeden Fall freundlich. Sie lachten und tanzten auf der Straße, anstatt rumzubrüllen und zu trampeln. Hier herrschte Ruhe. Kein Mensch bewegte sich schneller als notwendig. Am Strand lagen angeschwemmte Baumstämme, kostbare tropische Edelhölzer, die dort vergammelten und teilweise mit farbenprächtigen Schimmelpilzen überwuchert waren. Niemand kümmerte sich darum.

In Gabun gab es viele Bodenschätze, Erdöl, Eisen, Mangan und Uran. Gabun lieferte Frankreich Uran, um der großen Nation die Möglichkeit zu geben, das Mururoa Atoll zu zerstören. Wenn er gewusst hätte, dass Roy mit der Fri nach Mururoa segelte, um diese Atomtests zu verhindern, hätte Papá uns wahrscheinlich weniger gemocht. Frankreich war stolz auf seine Atombomben und Omar Bongo machte mit. Dafür durfte er den Frauen sein Konterfei über die Brüste stülpen. Es spielte keine Rolle, dass Gabun mit seiner mehrheitlich christlichen Bevölkerung von einem überzeugten Anhänger des Islam regiert wurde. Den Franzosen hatte der Showpräsident nichts zu sagen. Nur seinem Volk. El Hadji Omar Bongo wurde geliebt und gefürchtet.

Nach einer kurzen Rast vor dem Rathaus auf Stelzen schlenderten wir weiter. Eine der Straßen, die zu den Hügeln hinauf führte, hatte es mir angetan. Der Geruch von frisch gebackenen Blätterteighörnchen lag in der Luft. Da gab es eine Bäckerei, wo man Milchkaffee trinken konnte. Schräg gegenüber stand ein altes zweistöckiges Hotel mit verwitterter Holzfassade. Auf dem Schild über dem Eingang stand »Hotel Central Paris - Gabon«. Von dort aus hatte man einen freien Blick über den River.