Lagos Teil 5
Am Abend gehe ich mit dem Blitz an Land. Die Nacht verbringen wir im »Club 21«, einem alten Bretterschuppen, wo es kaltes Bier gibt. An der Straße vor der Bude brennen Lagerfeuer. Dickarschige Negermammis backen Fladenbrot. Wenn ein Weißer vorbeikommt, kneten sie mit mehligen Fingern ihre schwarz vernarbten Brüste und rufen:
»Jiggi jiggi, eh amigo, very good jiggi jiggi!«

Wir befinden uns in Ajegunle. Europäern wird davon abgeraten, das Ghetto zu betreten. Sie nennen es »white man’s grave«, »Das Grab des weißen Mannes«. Überall zwischen den Wellblech- und Bretterbuden sind Menschen unterwegs. Hupende Autos kämpfen sich durch die schlammigen Schneisen. Aus bebenden Boxen dröhnt Reggae-Musik. Neben den Hütten knattern dieselbetriebene Generatoren. Der Rauch der Abgase beißt in den Augen. Plötzlich riecht es streng nach Verwesung. Ich stolpere über einen Hundekadaver und folge dem Blitz durch die Massen zum Eingang einer Bar. An der Wand steht in roter Farbe »Club 21«. Wir bezahlen drei Naira Eintritt.
»Du alter Bimbo«, sagt der Blitz zum Mann an der Kasse.
Der grinst nur, weil er kein Deutsch versteht.

Drinnen erkenne ich auf fünfzig Quadratmetern festgetretenem Lehmboden ein paar alte Holztische und notdürftig mit Stricken zusammengehaltene Stühle. Durch die Tanzfläche fließt ein Rinnsal, das aus der Wand quillt. Es stinkt nach Urin. Ein paar rote Glühbirnen bilden die einzige Lichtquelle. An der Decke rotiert mühsam ein Ventilator. Über der Theke flackert die Leuchtschrift: »Be star bright with Star-Beer«. Das Bier stammt aus Ghana. Dann liegt mir auch schon ein Arm um den Hals. Sie kommt aus Kamerun.

Gegen zwei Uhr morgens verlassen wir die Bar. Der Blitz hat tief geladen. Er fühlt sich stark und beleidigt die Taxifahrer, die bereit wären, zum Hafen zu fahren, obwohl sie die Roadblocks der Militärs auf den Highways fürchten. Sie lassen uns stehen. Nur noch ein Taxi wartet im Schlamm. Der Kutscher verlangt 20 Naira. Ich drücke Borislav auf den Rücksitz. Er hört nicht auf zu randalieren:
»Halt endlich dein Maul, Blitz!«

Nach wenigen Minuten haben wir das Ghetto hinter uns und brausen über eine menschenleere Stadtautobahn in Richtung Porto-Novo-Creek. Auf der Höhe von Tin Can Island ist die Straße gesperrt. Brennende Öltonnen verengen die Piste. Dazwischen stehen schwerbewaffnete Soldaten und Geländewagen der Armee. Borislav beleidigt weiter den Taxifahrer, während wir von den Kriegern unter Gebrüll aus dem Wagen gezerrt werden. Sie beschimpfen den driver, prügeln auf ihn ein.

Dem Elektriker hat es die Sprache verschlagen. Jetzt fängt er wieder an zu fluchen. Er nennt die Soldaten stinkende Bimbos. Sie stopfen ihm das Maul, wollen wissen, was wir für sie mitgebracht haben. Ihr Blick fällt auf mein Handgelenk. Auch Boris verliert seine Uhr. Sie sagen, dass wir verschwinden sollen.

Der Blitz bleibt lange ruhig. Er spricht kein Wort. Ich glaube, ihm ist schlecht. Sein Schluckauf macht ihm zu schaffen. Nach einer halben Stunde erreichen wir unseren Liegeplatz. Die Patria ist hell erleuchtet. Die Löscharbeiten gehen schnell voran. Borislav kommt wieder zu Kräften. Er wirft Steine nach dem Schiff, verflucht die Seefahrt und ganz Nigeria: Es möge drei Wochen lang Kerosin regnen und danach der Blitz einschlagen!